Deming-Kreis neu gedacht

Artikel von Martin Sulkowski

Der Deming-Kreis* (PDCA-Zyklus) findet immer wieder
bei Verbesserungsprozessen
und Projekten Erwähnung.

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Die Erklärungen dazu erscheinen schlüssig, und dennoch habe ich jedes Mal das Gefühl, dass bei dieser Abbildung etwas fehlt. Das wichtigste Element in einem solchen Zyklus ist die Motivation bzw. das Motiv für die Veränderung, die durch die Durchführung des Planes (des Projekts) erreicht werden soll. Dieses Element wird beim Deming-Kreis vermutlich still­schweigend vorausgesetzt, weil es als selbstverständlich erscheint, aber der Projektalltag zeigt, dass diese Motivation oft gar nicht so selbstverständlich ist.

Ein vollständiger Zyklus muss immer wieder – spätestens vor dem Start eines neuen Durchlaufes – nicht nur das bisherige Ergebnis, sondern insbesondere die Motivation zur Fortführung der Zyklen überprüfen. An dieser Stelle können Ziele, d.h. Anforderungen angepasst oder das Projekt als beendet erklärt werden.

Deshalb habe ich einen „FRPDC-Zyklus“ entworfen, der auch die Motivation für ein Vorhaben oder Projekt berücksichtigt, woraus allerdings folgt, dass einzelne Schritte in diesem Zyklus neu erklärt werden müssen. („FRPDC“ steht für Formulate motivation – Refine requirements – Plan – Do – Check)

Allerdings ist „FRPDC-Zyklus“ kein Begriff, der angenehm über die Zunge geht, weshalb ich vom „MoBI-Zyklus“ („Motivation Based Implementation“-Zyklus) sprechen möchte. Dieser MoBI-Zyklus hat meiner Ansicht nach einen weiteren Vorteil, nämlich einen klaren Einstiegspunkt zu bieten, an dem jeweils gestartet wird.

Der MoBI – Zyklus

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Jeder Prozess und jedes Projekt beginnt mit einer entsprechenden Motivation, die von innen oder von außen kommen kann.

Die Einführung neuer Standards oder Gesetze kann dazu führen, dass interne Prozesse einer Organisation überarbeitet werden müssen. Geschäftsideen oder Erfindungen können Projekte anstoßen, die den Umsatz und Gewinn einer Organisation steigern sollen. Überhandnehmende Probleme können Bedürfnisse aufzeigen, die durch ein geeignetes Projekt befriedigt werden sollen.

Motivation formulieren

Am Anfang steht immer eine Motivation (bzw. eine Menge von Motiven), die von dem entsprechenden „Treiber“ (Auftraggeber) abhängen. Die Stärke dieser Motivation variiert und bietet unterschiedlich viel Spielraum für verschiedene Vorgehensweisen.

Die Qualität der Formulierung dieser Motivation unterscheidet sich auch sehr stark abhängig vom jeweiligen Auftraggeber. Idealerweise sollte die Beschreibung der Problematik(en) mit einer groben Umschreibung ergänzt werden, wie eine mögliche Lösung aussehen könnte.

Potenzielle Motive sind Sicherheit, Kontrolle oder Leistung.
D.h. durch den Entwicklungszyklus sollen Bedürfnisse bezüglich Sicherheit, Kontrolle oder Leistung erfüllt werden, die aber oft nur indirekt oder gar nicht formuliert werden. Die zusätzliche Herausforderung an beispielsweise den Product Owner oder Projektverantwortlichen ist es dann, diese Bedürfnisse zu erkennen und in die Anforderungen mit einfließen zu lassen.

Ein Negativbeispiel wäre, wenn der Auftraggeber eine konkrete Lösung vorgibt, ohne zu beschreiben, was dadurch verbessert bzw. erreicht werden soll.

Verfeinern der Anforderungen

Was in der Motivation formuliert wurde, kann prinzipiell verschiedene Entscheidungen nach sich ziehen:

Oft gibt es die Möglichkeit zu entscheiden, ob eine Leistung intern erbracht wird oder ob externe Beteiligte hinzugezogen werden, die bei der vorliegenden Thematik bereits eine gewisse Expertise mitbringen.

Es kann eine bestehende Infrastruktur angepasst oder
etwas Neues eingeführt werden, was jeweils unterschiedliche Konsequenzen nach sich zieht.

In jedem Fall sollte auf Basis der Motivation herausgearbeitet und abgestimmt werden,
welche Anforderungen letztlich für die angestrebte Lösung betrachtet werden.

Anschließend werden diese Anforderungen nach folgenden Kriterien formuliert, die vom SMART-Prinzip abgeleitet sind
(Specific Measurable Achievable Reasonable Time-bound):

  • Notwendigkeit: Anforderungen, die unbedingt erfüllt werden müssen, gegenüber solchen, die optional für die Geschäfts- oder Produktziele sind.
  • Zweck und Genauigkeit: Die Anforderungen beschreiben die jeweiligen Herausforderungen bzw. den Zweck, jedoch weniger die spezifische Implementierung. Hierdurch wird unterstützt, verschiedene Lösungswege in Betracht zu ziehen, um die Anforderungen zu erfüllen.
  • Verständlichkeit: Die Anforderungen müssen eindeutig und verständlich formuliert sein, wobei Beispiele eine äußerst nützliche Unterstützung bieten.
  • Machbarkeit: Es muss überprüft werden, ob die Anforderungen mit der derzeitigen bzw. vorgesehenen technischen Ausstattung und Code-Infrastruktur umgesetzt werden können.
  • Überprüfbarkeit: Die Anforderungen sollten sich durch Anwendertests oder andere Methoden überprüfen lassen.

Planen

Erst nach Abschluss der ersten beiden Phasen ist es sinnvoll, mit der Planung der Aktivitäten zu beginnen.

Natürlich werden in der Regel bereits während der Verfeinerung der angestrebten Lösung Kosten und Aufwände abgeschätzt, was voraussichtlich die Entscheidung für ein bestimmtes Vorgehen beeinflusst.

Bei der Planung werden jedoch deutlich mehr Aspekte berücksichtigt und in den Kontext des gewählten Realisierungs-Frameworks eingebunden. Dies kann sowohl einen eher klassischen Projektverlauf als auch ein agiles Vorgehen umfassen.

Auch detailliertere Überlegungen zur möglichen Umsetzung werden hier angestellt, jedoch stets im Austausch mit den an der Umsetzung beteiligten Experten und bei Bedarf in Absprache mit den betroffenen Stakeholdern.

Umsetzen

Welches Vorgehen gewählt wurde, entscheidet darüber, ob die Phase der Umsetzung eine größere Zeitspanne beansprucht oder nur beispielsweise einen Sprint umfasst. Entsprechend umfangreich sind auch die einzelnen MoBI-Zyklen, wobei ein agiles Vorgehen eine entsprechend hohe Anzahl an kürzeren Zyklen benötigt.

Das bedeutet aber nicht, dass hierbei durch die Anwendung des MoBI-Zyklus ein höherer Aufwand erzeugt wird, denn die Frage nach den Motiven für die Weiterentwicklung und die Bewertung sowie gegebenenfalls Überarbeitung der Anforderungen (Stories) für den nächsten Sprint sind bereits Bestandteil des agilen Vorgehens. Vielmehr beschreibt der MoBI-Zyklus genau die Schritte, die sich bereits vielfach bewährt haben und bleibt dabei skalierbar.

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Während dieser Phase kommt es besonders darauf an, dass das System, in dem diese Umsetzung erfolgt, gut funktioniert und in dieser Hinsicht unterstützt wird.

Es geht nicht nur um eine strikte Implementierung der Vorgaben, sondern vielmehr um die Berücksichtigung komplexer Wechselwirkungen, die im Idealfall ein perfektes, zukunftsfähiges Ergebnis liefern. Diese Wechselwirkungen werden auch von vorausgegangenen Phasen oder Zyklen beeinflusst sowie von der Projektkoordination, die stark von einer effektiven Kommunikation abhängt.

Im Rahmen dieser Umsetzungsphase finden bereits diverse Tests bzw. Überprüfungen statt, die Bestandteil der Entwicklung sowie des Projekt-Controllings sind.

Ebenfalls zur Umsetzung gehört eine Dokumentation (beispielsweise zu Problemen und Lösungen oder bezüglich Anpassungen an den Anforderungen oder Plänen) im vereinbarten Umfang.

Überprüfen

Am Ende der geplanten – und mitunter auch ungeplanten – Aktivitäten steht immer die Überprüfung des Ergebnisses.

Diese kann aus der Durchführung von Tests bestehen, aber auch aus Präsentationen für Stakeholder. Bei der Überprüfung findet ein Vergleich des Ergebnisses mit der für diesen Zyklus geplanten als auch mit der insgesamt angestrebten Lösung statt.

Selten – besonders bei umfangreichen Projekten – ist das zu diesem Zeitpunkt vorgestellte Ergebnis exakt so, dass keine weiteren Verbesserungsvorschläge oder Ideen der Stakeholder vorgebracht werden. Entweder haben die Stakeholder Verbesserungswünsche für Aspekte, die noch nicht so realisiert sind, wie sie es sich vorgestellt hatten, oder sie erkennen noch weiteres Potential, welches sie auf unterschiedliche Weise nutzen möchten.

Hier wäre dann der Zeitpunkt, um zu entscheiden, ob das Projekt, also die Abfolge von MoBI-Zyklen, mit dem vorliegenden Ergebnis beendet wird oder ob die Motivation vorhanden ist, einen weiteren Zyklus zu durchlaufen.

Das Prinzip des MoBI-Zyklus basiert auf dem Deming-Kreis,
verschiedenen Projektmanagement-Frameworks,
den Ergebnissen einer Arbeitsgruppe
der Firma e:ndlich GmbH & Co. KG
zum Thema Anforderungsmanagement und vielen Jahren Projekterfahrung.

* Der “Deming-Kreis” bezieht sich auf das PDCA-Modell (Plan – Do – Check – Act). Das Modell ist ein iterativer, vierphasiger Ansatz zur ständigen Verbesserung der Qualität von Prozessen und Produkten.

© Martin Sulkowski, 2023

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